Aktuelles aus Guatemala, Juli - September 2024
Liebe Freundinnen und Freunde von Niños en Xela
Obschon wir unsere Aufgaben planen und versuchen zu erledigen, gibt es immer wieder Unvorhergesehenes in fast allen Bereichen. Herausforderungen, die wir nicht ignorieren können und wollen und bei denen wir vorsichtig und überlegt vorgehen müssen.
Bildung
Wir sind in den meisten Schulen, in der 3. Einheit, d.h. die Schüler:innen haben die dritten Prüfungen und gleichzeitig ist der Monat September der Monat mit den Festivitäten zur Unabhängigkeit Guatemalas, und leider sind die Schulen stark involviert: mit den Wettbewerben der Musikgrupppen (deren Mitglieder seit Juni sehr unterschiedlich dem Unterricht beiwohnen) und der diversen „Señoritas“ und „Reinas“, die in den beiden Umzügen die Schule vertreten und von anderen Schulen eingeladen werden. Mit anderen Worten: im September wird sinkt der Stellenwert der Bildung. Wir haben jedoch versucht, den Nachhilfeunterricht sowohl in der Emboscada wie auch individuell und im Büro am Sitz von NeX möglichst normal durchzuführen.
Weiterbildung der MIJ (Misión Internacional de Justicia)
Kurzfristig haben wir uns entschieden, uns in der Gesetzgebung von Gewalt und sexueller Ausbeutung weiter zu bilden. Wir sind in den letzten drei Monaten vermehrt mit misshandelten Kindern konfrontiert worden und wir haben auch einen Fall von – bisher sexueller Belästigung – befürchten jedoch, dass die Grenze jederzeit überschritten werden kann, wenn wir nicht handeln. Die Mutter des Mädchens ist uns keine grosse Stütze, sie nimmt das alles nicht so ernst. Wohl, weil ihr vielleicht dasselbe zugestossen ist und es deshalb für sie „normal“ ist. Die Weiterbildung war für uns sehr aufschlussreich: als Institution haben wir die Pflicht, zu denunzieren, aber auf das weitere Prozedere haben wir dann keinen Einfluss mehr. Gewalt ist kein Offizialdelikt. Dieses Ohnmachtsgefühl beschäftigt das ganze Team.
Gesundheit und Therapien
Zur Zeit betreut unsere Psychologin 6 Kinder und 4 Erwachsene: das Thema Gewalt und die Konsequenzen (ein Junge hat Sprachprobleme) – also die Täter:innen und die Opfer. Uns ist bewusst, dass das langwierige Prozesse sind und dass es in Guatemala ein gesellschaftliches Problem ist. Aber umso wichtiger ist es, dass wir beginnen. Der Schwerpunkt für uns sind die Kinder, also die Opfer, die jedoch auch die Gewalt an ihre schwächeren Geschwister und Freunde weitergeben.
Wie jedes Jahr sind die Zahn- und Ohren-Augen-Untersuchungen durchgeführt worden. Die Zahnsituation bei einigen Stipendiat:innen hat sich leicht verbessert, v.a. die Zahnhygiene. Wir führen das auf die Abgabe von Zahnbürsten und Zahnpasta zurück und auf die Hygiene-Workshops.
Familientreffen zum Thema Nahrung versus Ernährung
Zusammen mit unserer Psychologin Mirna Ajanel hat Cindy Montejo, die Agronomiestudentin, die ihr letztes Praktikum bei uns gemacht hat und mit Kleinprojekten (Wurmkultur, Medizinalpflanzen, Gemüseanbau und dem Bau von Sonnentrocknungsanlagen) unser Angebot für die Familien ausgebaut hat, den Workshop bestritten. Für uns alle war er lehrreich und wir konnten auch regionale, neue Sachen ausprobieren wie zum Beispiel ein Atol mit Mais und Kakao. Schwerpunkt des Treffens war jedoch das Aufzeigen von Pflanzen und Kräutern, die wild in unserer Umgebung wachsen und die einfach zur Zubereitung sind und einen grossen Nährwert besitzen. Pflanzen, die mehr und mehr in Vergessenheit geraten und kaum mehr beachtet werden.
Bei einem ansehnlichen Anteil von untergewichtigen Kindern (ca. 30% sind stark untergewichtig) haben wir die Pflicht, mit Aufklärung den heutigen Essensgewohnheiten entgegen zu wirken: oft erhalten die Kinder wenig Geld, damit sie sich auf dem Schulweg etwas kaufen – comida chatarra, resp. auf Neudeutsch Junkfood. Leider ist es so, dass diese Chips-Tüten und Zuckersäfte heute fast billiger sind, als ein Frühstück mit Eiern, Tortillas und Atol. Diese Tatsache führt uns zweifellos dazu, unser schönes und grosses Grundstück am Sitz von NeX besser und vor allem das ganze Jahr durch zu nutzen. Davon später.
Landwirtschaft
Gemeinsam mit der Agronomie-Studentin erarbeiten wir Möglichkeiten, wie wir das Grundstück besser nutzen und unsere Familien mit Gemüse und anderen Produkten (z.B. Eier und Dünger aus dem Vermikompost) versorgen könnten. Ideen sind da, wir müssen sie bündeln und die Machbarkeit abklären und berechnen. Ebenso ist der Arbeitsanfall zu berücksichtigen und in Zahlen abzubilden.
Die Ernte auf unserem Grundstück war sehr gut und die Familien konnten viel Gemüse nach Hause nehmen.
Regen, Strassen, Erdrutsche und das Leben…..
Guatemala ist wieder im Besitz der „tausend verschiedenen Grün-Nunancen“ – die Natur ist für die Trockenheit gewappnet und ich geniesse die Üppigkeit. Der Regen wird zwar noch gut einen Monat dauern, aber jetzt schon sind die Strassen in einem desolaten Zustand, die Gefahr von Erdrutschen ist stetig präsent und die Nachrichten haben sich noch nicht wirklich gebessert.
Die Willkür von Festnahmen – v.a. von Dozent:innen und Student:innen der staatlichen Universität und von Journalisten – gehen weiter und so lange Schlüsselpositionen wie die Generalstaatsanwaltschaft und die Richter aller Gerichtshöfe weiterhin auf ihren Posten sitzen, ist es mit einer Minderheit im Parlament unmöglich, zu regieren und ein Regierungsprogramm umzusetzen und dazu mit einer Partei, die vorläufig keinen legalen Status besitzt, weil gewisse Kräfte die Partei des Präsidenten annullieren wollen. Eine typisch guatemaltekische, verzwickte Angelegenheit.
Nichtsdestotrotz grüssen wir alle herzlich
Team Xela